Mallorca 2016

Mäni: Mein Motorrad, mein Sohn und ich auf  dem Weg nach Malle und zurück


Anreise

Und wieder wird aus einem anfänglichen Hirngespinst Wirklichkeit. Jahr für Jahr reisen meine Freunde und ich samt Familie im Sommer nach Mallorca in den Urlaub, natürlich mit dem Flieger. Wie sollte man auch sonst nach Mallorca kommen. Mit dem Motorrad?. Das müsste doch mit der Fähre bestens zu meistern sein. Mit dem eigenen Motorrad die Hin- und Rückreise nach Barcelona, die Überfahrten mit der Fähre und die schöne spanische Insel mit ihren so unzähligen, kurvigen Hügeln, das wären doch mal Ferien. Ein tolles Erlebnis. Warum eigentlich nicht. Diese Idee weckte bei meinem Sohn sofort Interesse. „Das möchte ich auch erleben. Kann ich da mitmachen?“ Was also anfänglich ein Hirngespinst war, beginnt Formen anzunehmen. Denn dieses tagelange am Pool Herumlungern liegt mir nicht. Mehrere Tage ohne mein Motorrad möchte ich eh nicht sein und warum also nicht einmal Sommerferien mit Freunden, Familie und Moppet zusammen verbringen? Gesagt, geplant und getan. Der Start fällt nicht gerade ins Wasser, doch ist der erste Tag gezeichnet vom regenreichsten Jahr schlechthin. Allzu schlimm ist das nicht, denn nasse Strassen bedeuten weniger Reifenverschleiss und geringeres Reiseverkehrsaufkommen.
14. Juli 2016: mein Sohn und ich starten also bei Regen und ca. 10 Grad von unserem Wohnort aus in Richtung Mallorca, wie es sich von selbst versteht, nicht im gestreckten Galopp und schon gar nicht alles auf Autobahnen. Als Wegvorlage dient Erlebtes von Freunden mit Orten die ich gesehen haben sollte. Als erstes wird der Jurakamm besucht. Westlich von Genf passieren wir die Grenze zu Frankreich. Der Regen lässt nach. Doch Werte zwischen 8 Grad in der Höhe und 13/14 Grad in den Tälern lassen das Sommerfeeling noch nicht so recht aufkommen. Die Übernachtung im Zelt auf einem Campingplatz an einem kleinen See an sonniger Lage erhöht das Gefühl auch nicht. Die Nacht blieb trocken aber nicht weniger kühl. Das Aufstehen erweist sich als harzig. Der Sohnemann, nicht wirklich ein geübter Camper, tut sich schwer, bei solchen Temperaturen und der frühen Stunde aus dem Schlafsack zu kriechen. Vaters Vorwärtsdrang beschleunigt die Geschichte nicht merklich und trägt auch nicht zur besseren Stimmung bei. Hilf alles nichts. Der Weg ist noch lange und darum hopp! Schon die ersten Kilometer entlohnen das Gezanke. Weingut um Weingut, Rebberg um Rebberg erhellen das Gemüt. Die Sonne legt noch an Kraft zu und so wird Kurve um Kurve der Genuss grösser. Pässe bis zu 2000 müM und Schluchten mit unerahnbaren Tiefen bringen dem Tag viel Gutes. Nach rund 450km gilt es erneut ein Nachtlager aufzuschlagen. Die „Haut Povince“ ist erreicht. Die sommerliche Temperatur aber noch nicht. So durchleben wir abermals eine frische Nacht. Neuer Tag, neues Glück und was für ein Glück. Ein Tipp eines Alteisenmotorradschraubers fürt uns zu einem Highlight unserer Reise. Der Grand Canyon de Verdon. Noch selten habe ich so eine Ansammlung von Kluften gesehen. Dachte ich doch bis dato, ich hätte schon die tiefsten Schluchten in Europa bereist. Das schlägt alles. Unzählige Serpentinen verpassen dem noch die Krone. So etwas muss man gesehen und erlebt haben! Auf einer Brücke die den Graben überwindbar machen, steht eine Menschentraube und guckt verdutzt nach unten. Ja, da muss man doch verwundert runter schauen, so schier unendlich wie das scheint. Wir tun dem auch so. Zum Erstaunen ist da aber etwas anderes. Ein Wagemutiger setzt zum Bungy Jumping Sprung an. Die Schaulustigen stacheln ihn an. Dann wagt er es. Der Schrei, das Echo, unglaublich! Nach diesem Spektakel wird kräftig weiter um die Kurven gewetzt. Rauf und runter, mal links mal rechts, bis zum Ende des Canyon oder ist es der Anfang? Was soll`s. Es ist ein ganz tolles Gefühl, das zu sehen, das erleben zu dürfen mit Motorrad und Sohn. Am besagten Ausgang der Schlucht stehen wir nun erneut auf einer Brücke und schauen hinunter. Dieses Mal erfreuen wir uns am Anblick des türkisfarbenen Flusses/Sees auf dem sich hunderte von Tretboot- und Kanufahrer tummeln, als gäb es dieses Naturwunderwerk morgen nicht mehr. Einige Erinnerungsfotos später ruft die Strasse wieder. Nach längst nicht mehr so eindrücklichen Kurven und Bögen, Steigungen und Gefällen wie denen im Grande Canyon de Verdon, gilt es erneut das Nachtlager zu suchen. Suchen ist das richtige Wort. Weiter als geplant gefahren, wird das Campingplatzangebot auf einmal recht schmal. Dann doch noch die erhoffte Rettung. Zur späten Stunde zeigt sich ein Zufluchtsort für die Nacht. Die letzten paar Kilometer zehren an der Substanz.
Der Sommer zeigt sich wenigstens heute von der besten Seite. Über 25 Grad stehen auf dem Display meiner Maschine. Alle Belüftungsschlitze sind offen. Jetzt nur noch raus aus den Klamotten und abkühlen. Leider wird der Pool gerade geschlossen. Wir sind zu spät. Also noch schnell unter die Dusche und dann gemütlich Nachtessen. Mit Aussicht auf den angrenzenden Wildpark lassen wir den Tag ausklingen und kriechen mit dem Untergang der Sonne in unsere Schlafsäcke. Mehr schlecht als recht vergeht die Nacht. Der Boden steinig, die Autobahn zu nahe, die Liegematte defekt, nicht gerade gemütlich. Nun gut, die nächste Attraktion unserer Reise erwartet uns. Der östlichste Zipfel des spanischen Festlandes. Eine Mondlandschaft mit Leuchtturm gilt es zu erreichen. Der Weg dort hin schlängelt sich über mehrere Meter den Klippen entlang und ist kaum breiter als ein Auto. Schliesslich schraubt sich die Strasse hoch bis zur Spitze. Vor Jahren habe ich diesen Ort schon mal besucht. Alles ist noch dort. Das Restaurant vom neuen und vom alten Leuchtturm. Den leckeren Schokoladenkuchen, den wir natürlich probieren müssen, gibt es Gott sei Dank auch noch. Neben der fantastischen Aussicht auf das Meer und die Küste ist das Gebäck ein Gedicht an den Gaumen. Es ist leider alles kein Geheimtipp mehr. Viel Rummel, viele Touristen und Einheimische, die die kleinen Buchten als Badeanlage benutzen. So zieht es uns bald weiter zum nächsten Höhepunkt, die Strasse des Jahres mit ihren 365 Kurven auf 24km. Schnell wird klar, die bestmögliche Zeit sie praktisch ohne Verkehr zu befahren, ist Sonntagnachmittag um drei Uhr. Die Leute scheinen dann Siesta zu machen oder ihren Allerwertesten zu sonnen oder ihn im kalten Nass zu tunken. Uns mag das recht sein. Eine angenehme Brise weht vom Meer. So lässt es sich gemütlich und stressfrei von einer Schräglage zur anderen kurven. Drehe ich am Gasgriff, fühlt sich das Rauf und Runter, Links und Recht an wie auf einer Achterbahn. Wir sind fasziniert von der Strecke und Landschaft. Die Strasse grädet, die Hügel glätten, die Stadtdurchfahrten häufen sich. Vorbei der ganze Zauber. Wir gehen beinahe unter im Häusermeer. Barcelona verschluckt Reiter und Pferd samt Gepäck. Den Hafen erreicht, atmen wir auf. Wir sind dem Ziel ein Stück näher. Am Check-In Schalter tauscht eine freundliche Dame unsere Buchungsbestätigung in Ticket um. Viel zu früh, aber gerade richtig auf die Toröffnung 1800 Uhr erreichen mein Sohn und ich mit dem voll beladenen Motorrad den Aufkollonierungs- und Wartebereich der Fähre. Boardingtime soll 21:30 Uhr sein. Das grosse Warten beginnt. Zwar dürfte Maschine und Material unbeaufsichtigt stehen gelassen und dann ein Stadtausflug getätigt werden, aber wer garantiert, dass die ganze Schutzbekleidung und anderes noch da sind, wenn wir vom Ausflug wieder zurück kommen? Ja richtig! Niemand. Also wird gewartet. Es vergehen rund 4 Stunden, ehe wir im Schlund der Fähre verschwinden. Einweiser auf dem zweten Parkdeck zeigen die Ruhe- und Endposition des Motorrades an. Schnell das vorab gerichtete Gepäck unter die Arme genommen, suchen wir eiligst die Rezeption zur Übergabe des Kabinenschlüssels auf. Er wird freundlichst in doppelter Version überreicht. Jetzt aber keine Zeit mehr vergeuden. Geduscht, gestriegelt und geputzt geht es dann ab zum Essenfassen. Vor der Verpflegungsstelle zwei Menschenschlangen: links für kleine Snacks, rechts für ganze „reichhaltige“ Menüs. Die Entscheidung fällt auf Snacks. Das muss reichen. Das Essen sieht ohnehin nicht gerade appetitlich aus und ja, die Snacks schmecken auch nicht wirklich gut. Der Hafenausfahrt des Schiffes können wir vom Deck aus gerade noch rechtzeitig zuschauen. Dann ist es aber auch Zeit, das wohlige Nest aufzusuchen.
Gegen 6:00 Uhr ertönt der Bordweckruf. Eine weibliche Stimme „nuschelt“ und murmelt Unverständliches aus den Kabinenlautsprechern. So knapp schliesse ich daraus, dass wir in Kürze unser Reiseziel Palma de Mallorca erreicht haben und uns für das Check-out bereithalten sollen. Kurzentschlossen wird der Aufruf ignoriert und von Draussen dem Anlegen zugeguckt. Die Fähre steht still. Nun ist es aber Zeit. Wieder alles unter die Arme geklemmt und ab zur Garage. Motorrad und Gepäck sind noch da, Helm auf. Erst Handschuhe, dann Zündung an und los geht`s. Kaum wieder in die Freiheit entlassen, die falsche Richtung eingeschlagen. Gut, dass es frühmorgens ist und noch kein Verkehr auf Malles Strassen herrscht. Einen Fussgängerstreifen kurzerhand als Motorradspur missbraucht um einen Richtungswechsel vorzunehmen, sind wir wieder auf Kurs. Dieser führt geradewegs in die westlichen Berge an einer Militärkaserne vorbei. Das mediterrane Klima weckt Ferienstimmung. So wird gemütlich gecroust. Die Strasse erinnert en wenig an eine Kartbahn. Schmal, holprig und kurvig räkelt sie sich den Berg hoch. Müdigkeit holt uns ein. So dauert es nicht lange, bis wir uns ein lauschiges Plätzchen aussuchen. Ein grosser Stein dient als Liege. Powernapping. Ein toller Anblick auf Palma und Umgebung verwöhnt die Augen beim Aufwachen.
Unsere Akkus ein wenig aufgeladen, wird wieder los getuckert nach Andratx als Zwischenziel. Dort wird die Himmelsrichtung geändert. Die Fahrt geht also nördlich der mallorcinischen Küste entlang auf der Ma-10 weiter. Bei Banyalbufar steht ein alter Burgturm. Die Aussicht von dort aufs Meer ist sagenhaft. Die Tankanzeige meldet: Reichweite 70. Das reicht vermutlich nicht. Also muss eine Tankstelle aufgesucht werden. Ha, das in der Gegend. Dahin verirrt sich doch kein Zapfsäulenbetreiber. Aber doch! Ein Wegweiser am rechten Strassenrand meldet 100m links. Erstaunt treffen wir dort auf eine grosse, überdachte Tankstelle mit 4 Säulen, Shop und Restaurant. Diese Gelegenheit wird genutzt. Energiezufuhr für Mensch und Maschine. Beim Besuch im Cafe, mit Mamas selbst gebackenen Kuchen und Cafe con Leche werden die Lebensgeister wieder wach. Malle hat soviel mehr zu bieten als Ballermann und bewusstlos saufen. On Tour bei Sóller weiter nördlich auf der Ma-10, durch das Gebiet der Serra de Son Torella, bis Lluc. Von da aus in Richtung Süden. Eine schmale Route, neu asphaltiert, führt vom Berg runter. Die Serpentinen sind unglaublich eng. Jedes Auto ist gezwungen gezielt die Kehren anzufahren, um dann haarscharf vor dem Fels die Kurve noch zu kriegen. Umso mehr erstaunt uns, dass es Reisecars gestattet ist, diesen Nadelöhr-Pass zu befahren. Zum Teil müssen sie zurücksetzten, damit sie ihr Flaggschiff um die Ränke manövrieren können. Über Punkte/Orte wie Plug des Castellot, Serra des Vidre und Selva gelangen wir schliesslich nach Inca, unserem Fix-/Ausgangspunkt der Familienferien, der Rund- und Rückreise in 10 Tagen.


Auf dem Rückweg

Unerwartet schnell gehen die 10 Tage Familien-/Clanferien vorbei. Also geht es wieder ans Beladen des Stahlpferdes, das bereits mit scharrenden Rädern auf den Antritt des Rückweges wartet. Schlafmatten und Zelt festgezurrt, Kleider, Essen und Schlafsäcke in die Satteltaschen und den Koffer verstaut, aufgesessen und los geht`s nach Palma zum Hafen. Eine 20 minütige Fahrt auf der Autobahn im Morgenverkehr auf Mallorca, da gibt es bestimmt schöneres. Die Fähre legt 12:00 Uhr ab. Vorher müssen noch die Tickets abgeholt werden. So stehen wir dann in der Aufkolonierung und entledigen uns der schweren, warmen Motorradbekleidung. Während des Umziehens eilt ein Schiffsbeladekoordinator daher und fuchtelt mit den Armen. “ vamos, vamos“ schreit er, meint also damit, dass wir uns samt Fuhre auf die Fähre verfrachten sollen. Hektik kommt auf. Einige Autofahrer sind nicht bei ihren Fahrzeugen. Wir haben die Hosen in den Kniekehlen, die Schuhe noch nicht an und überhaupt ist da noch bei weitem nicht alles parat um loszulegen. Einiges Gezeter und Gefuchtle später, geht es dann so, wie die Platzanweiser wollen. Dermassen  zackig aufgeladen und auf den Pullmannsitzen eingerichtet ist eigentlich gar nicht spanisch „like“. Mein Sohn und ich spazieren durchs Schiff und erkunden das Innere und Äussere der Fähre. Auf Deck erhaschen wir einen letzten Anblick auf Palma. Was für eine traumhafte Kulisse. Was für ein geniales Wetter. Dann sticht die Fähre ins Meer. Erneut rund 7,5 Stunden Fahrt ist zu ertragen. Tönt nach viel, ist es auch. Mit Lesen von Büchern und Zeitschriften auf deutsch und Filme auf spanisch schauen via Boardfernseher im Carsitzraum, geht die Zeit schleppend vorbei. Stunden später, beim Füsse und Beine vertreten, kann man schon die Umrisse des spanischen Festlandes erblicken. Barcelona mit seinen altehrwürdigen gemischt unter zahlreichen, hochmodernen Gebäuden gibt sich zu erkennen. Noch Stunden…
Die Hafeneinfahrt bestaunen viele Passagiere von der Reling aus. Wir dürfen live mit erleben, wie ein „Pilot“ (steht so auf dem kleinen Boot mit dem der Mann gebracht wird)  an Board kommt, der dem Kapitän beim Manövrieren des Kahns in den Hafen helfen soll. Es geht alles gut. Das Entladen und das damit verbundene Chaos beginnen. Mich erstaunt es, wie die Wegweisenden bei unserem Erscheinen sofort den Verkehr anhalten und uns den Vortritt geben, Beispielhaft. Die Motorradfahrer sind schnell vom Platz und aus der Gefahrenzone. Das Areal verlassen, findet das gewohnte spanische Verkehrsverhalten wieder statt. Umsicht und Vorsicht ist geboten. Die Zweiradfahrer nützen jede Lücke, um schneller vorwärts zu kommen. Sie schlüpfen gekonnt an der Blechlawine vorbei. Autofahrer nehmen kurzfristig hasenschlagähnliche Kursrichtungswechsel vor. Dass kein Unfall passier,  grenzt an ein Wunder. Endlich bewegen wir uns aus diesem wilden Gewirr. Es geht in Richtung Berge auf Andorra zu. Eine schöne, neu asphaltierte, breite Strasse führt geschlängelt durch Terrassa (Provinz Barcelona). Langsam aber stetig steigt sie an. Mittlerweile dämmert es. Ein Zeltplatz muss her. Es geht nicht lange und eine Tafel weist auf einen hin. Kurzerhand wird dieser angepeilt. Es ist schon 21:00 Uhr, als ich an der Rezeption vor geschlossener Türe stehe und die Hausglocke drücke. Sohn Thilo wartet beim Motorrad.  Ob da noch jemand kommt? Glück gehabt. Die Chefin des Campings gewährt uns Einlass. Schnell wird das Biwak errichtet und danach kurz gespeist. Mittlerweile ist die Nacht eingebrochen. Also Zähne putzen und ab auf die Matte, in den Schlafsack.
Bereits um 06:00 Uhr weckt mich meine innere Uhr. Durch die Zeltwand dringen die ersten Sonnenstrahlen, ist aber noch zu früh um Krach zu machen, also wende ich mich dem Tagebuchschreiben zu. Eine Stunde später ist es dann soweit. Ich erlöse meinen Sohn vom Schlaf. Zu meinem Erstaunen steht er ruck zuck auf und hilft tatkräftig mit beim Abbrechen und Verstauen.

„on the route again“

Diese ist gut befahrbar, breit und ohne Verkehr. Um 10:00 Uhr passieren wir die Grenze von Spanien zu Andorra. La Vella, die zollfreie Hauptstatt Andorras, voll mit Shoppingareas aller Art auf kauffreudige Touristen wartend, ist ein Zwischenziel der Rückreise. Nach einer kleinen Irrfahrt, die aber Einblicke in die Altstadt ermöglicht hat, wird die Fuhre parkiert und bummeln mein Sohn und ich mit hunderten anderen Leuten durch eine Einkaufsmeile. Erschlagen von der Vielfalt der Geschäfte und der aufkommenden Hitze, geniessen wir  in einem Laden einer amerikanischen Kaffekette  Muffns, Latte und Frappucino. Über den Pas de la Casa (2407 müM) führt eine gut ausgebaute Strasse nach Frankreich. Sie präsentiert tolle Ausblicke auf die hohen Berge und ihre Skihänge. Ein Motorradparadies ist diese Gegend. Habe schon viele Länder und Orte bereist und doch staune ich immer wieder, wie ideal andere bergige Landschaften ausser der Schweiz, Österreich, Deutschland und Italien zum Rumkurven auf zwei Rädern doch sein können. Das zu Hause vorprogrammierte Navi wartet mit weiteren Überraschungen. Es führt uns über Wege, die kaum breiter sind als unser vollbepacktes Reisegefährt. Die Gegend könnte einer Westernverfilmung als Kulisse dienen. Nach jeder Kurve wird ein Indianer, Grizzlybär oder sonstiges Wild erwartet. Eine Landschaft fast kitschig schön. Dabei übersehe ich die Treibstoffmenge. Die neigt sich nämlich dem Ende zu und das ausgerechnet in der Prärie bei 38 Grad. Schlechter Moment! Auf der Suche nach Benzin und Schlafgelegenheit verlieren wir uns in Raum und Zeit. Die Kulisse ändert sich. Viele märchenhafte Dörfer aus der Ritterzeit sind Wegbegleiter auf dieser Challenge. Geschichtsträchtige Burgen und Schlösser tragen dazu bei, dass vor lauter Staunen und Begutachten der sinkende Tankinhalt beinahe in Vergessenheit gerät und es somit möglicherweise zum ungewollten frühzeitigen Beenden der Tagestour kommt. Dann die Erlösung der aufkommenden Nervosität.  Mit Hilfe des „Garmin“ findet sich in einer grösseren Stadt eine Zapfsäulenanlage. Hurra, es gibt „Sprit“ und kann weitergehen. Jetzt beginnt die nächste Suche, die eines Zeltplatzes. Ist auch nicht gerade einfach, wie es sich herausstellt. Und doch schreibe ich meiner Frau dann nach gefundenem Rastplatz diese SMS: Jetzt sind wir bettreif. Es war wieder echt knapp mit dem Campieren 21:00 Uhr waren wir fertig. Dann noch eine Pizza und Cola und jetzt, gute Nacht und Kuss v.u 2.
Um rund 07:00 Uhr öffne ich meine Augen. Muss mal eben. Schleiche also aus dem Zelt und stelle mit Erschrecken fest: es ist ein bewölkter, ein mit grauen Wolken verhangener Morgen. Solch schlechte Wetterboten verheissen nichts Gutes. Sollte es wirklich sein, dass der Regen uns heute begleitet? Noch ist es trocken und noch sind wir guter Dinge. 21 Grad erleichtern das Zusammenfalten und Einpacken der Nächtigungsunterkunft. Dies geschieht locker, ohne Stress und Zeitdruck. Vater und Sohn hatten gestern einige Kilometer vorgeholt. Im Nacken bleibt aber die herannahende Schlechtwetterfront. Also hopp aufs Moped und los Richtung Heimat. Die rund 21/25 Grad sind Tagesbegleiter, genau wie ab und zu Sonnenschein und Regentropfen. Meist bleibt es dabei und die Strassen somit trocken. Alberville, Grenoble  und Chamonix  vom Ski-Zirkus bekannten Ortschaften, bieten sich als Zwischenziele an. Erstaunlich wie sich zwischen der Bergwelt solch grosse Städte verstecken. Zum Durchfahren dieser macht es keinen Spass. Alle paar Meter Ampeln, kein flüssiges Vorankommen, hier kennt man das System „grüne Welle bei konstanter Geschwindigkeit“ nicht. Kommt erschwerend noch hinzu, dass in Alberville Festivitäten stattfinden, die eine kaum verständliche Verkehrsumleitung und eine darum für uns ungewollte Fussgängerzonenbesichtigung zur Folge hat. Endlich erscheint der lang ersehnte Abzweiger. Steil ansteigende Kurven schlängeln sich den Berg hoch und wieder runter, mal links mal rechts, rauf und runter. So geht es Kilometer für Kilometer. Dann wieder rein in Schluchten die an Geschichten wie „Ronja die Räubertochter“ oder „Robin Hood“ erinnern. Unglaublich eng und hoch sind die Kluften. Die schmalen Strassen durch diese, sind mit von Hand aus dem Fels geschlagenen Tunnels verbunden. Gallerieartige Überhänge und zauberhafte Bäche weisen der Route den Weg. Viel Platz bleibt da kaum. In Chamonix ergattern wir uns den letzten Zeltplatz unserer Tour. Das Camp ist voll mit Radfahrern, Bergsteigern und Kletterern,  Reisenden aus allen Länder, Gitarre spielenden, Birkenstock- und Zehenschuhtragenden Adventure-Volk.  Es herrscht eine Stimmung wie in einem Jemburi  der Pfadfinder. Schnell ist die Behausung aufgestellt. Das Wetter macht mit, bis wir in die Tüten schlüpfen. Dann beehrt uns eine Gewitterfront nach der anderen. Die ganze Nacht hindurch regnet es. Kindergekreische, landende Helikopter der Bergwache und ein Feuerwerk (Gott weiss warum?) lassen die nötige Ruhe auch nicht aufkommen. Haben wir gut geschlafen? Frag lieber nicht!
Einige wenige Stunden Schlaf gab es dann doch noch. Besser wurde das Wetter aber nicht. Kaum die Regensachen angezogen, liess das vom Himmel fallende Nass nach, zeitweise hörte es sogar ganz auf. Ok, damit müssen wir heute leben. Im Angesicht von gerade mal 12 Grad ist ein wasserdichter Anzug eh nicht falsch. Schlecht hingegen ist dann die Motivation, alles für die Nächtigung benötigte wieder zu verräumen. Diese Feuchte und Kälte schleicht sich überall ein. Irgendwann ist es doch erledigt. Das Motorrad ist bepackt. Wir haben die Morgentoilette hinter uns und können zurück auf die Strecke: die letzten Kilometer der Odyssee (Ausschnitt Wikipedia: Es schildert die Abenteuer des Königs Odysseus von Ithaka und seiner Gefährten auf der Heimkehr aus dem Trojanischen Krieg).
Abermals werden wir von tiefen Schluchtdurchfahrten, malerischen Gegenden, pompösen Bauten, endlosen Ländereien, Weinguten wohin das Auge reicht und vielem mehr verzaubert. Auf dem Col de Montets (1461müM) wird es nochmals richtig frisch.  8 Grad stehen auf der Armatur.  Bitter! Im Walliser Rohnetal zeigt diese aber bereits schon wieder 20 Grad an. Kaum in der Schweiz angekommen muss ich meinen Fahrstiel sofort anpassen. Er wird nämlich mit Gehupe beanstandet! Die Rücksicht gegenüber Motorradfahrern ist in unserem Lande nicht gerade gross. Na dann also, Fahrweise anpassen und es funktioniert  wieder ohne fremde Hinweise. Bekannte Pässe wie Furka, Klausen, Ricken und Wasserfluh runden den Tag ab. Just vor dem grossen Gewitter, begleitet von extrem viel und starkem Niederschlag, erreichen Vater und Sohn das traute Heim. Unsere Ankunft kündigen wir mit einer „Hupsalve“ an. Diese wird von Mutter, Tochter und Oma gehört. Noch nicht ganz der Motorradkleidung entledigt, stehen die Ladys mit Begrüssungsgetränken vor uns. Was für eine herzliche Begrüssung!
3550 Kilometer von zu Hause weg nach Barcelona, Mallorca und wieder zurück. Mein Sohn und ich sind mit einem grossen Rucksack gefüllt mit vielen, schönen, märchenhaften, unglaublichen und bleibenden Eindrücken wieder gesund heimgekehrt.

Vielen Dank an die Familie

Mäni